Vilhelm Hammershøi bei Hauser & Wirth in Basel (2024)

Die Meldung fand im Herbst viel Aufmerksamkeit: Die Großgalerie Hauser & Wirth eröffnet in Basel eine weitere Dependance. Auf Beachtung stieß dann in der Kunstwelt die Ankündigung, die erste Ausstellung dort werde dem dänischen Maler Vilhelm Hammershøi gelten. Vor gut drei Jahrzehnten gründeten die Kunstsammlerin Ursula Hauser-Fust, ihre Tochter Manuela und Iwan Wirth in Zürich die Galerie Hauser & Wirth. Das längst global agierende Unternehmen mit nun insgesamt 21 Standorten wird seither von Iwan Wirth und seiner Ehefrau Manuela geführt.

Am 1. Juni fand die Vernissage von „Vilhelm Hammershøi. Silence“ in den bisherigen Räumen der Galerie Knöll im Luftgässlein statt, mit Vorlauf zur Messe Art Basel, die am 13. Juni für das Publikum öffnen wird. Carlo Knöll, nun Senior Director bei Hauser & Wirth, hat 18 Gemälde Hammershøis zusammengebracht. Die meisten sind Leihgaben aus dem Besitz von Freunden, erzählt er, viele Provenienzen sind namentlich im Katalog verzeichnet. Seine „Passion“ gelte dem „Historischen“, sagt Knöll, das sei auch seine Position bei Hauser & Wirth. Er sieht seine Aufgabe in Kabinettausstellungen, womit er nicht Musealisierung, sondern Konzentration meint.

Vilhelm Hammershøi bei Hauser & Wirth in Basel (1)

Basel ist der richtige Ort für das Stück Neuland, das die bisher auf Moderne und Gegenwart konzentrierte Megagalerie mit ihrem Eintritt ins 19. und beginnende 20. Jahrhundert betritt. Die alte schweizerische Kaufmannsstadt am Oberrhein ist Anziehungspunkt der Kunstwelt, ihrer Museen und der Traditionsmesse Art Basel wegen, zugleich Standort einer kompetenten diskreten Sammlerschaft. Iwan Wirth begründet den Schritt nach Basel damit, dass das Unternehmen Hauser & Wirth seit den Gründungstagen fasziniert war von „Visionären, deren Werke bis heute tief bewegen, die in ihrer Zeit jedoch weitgehend übersehen wurden“. Er betont den Zusammenhang historischer Präsentationen zum zeitgenössischen Programm der Galerie: „Unsere Künstler und Künstlerinnen teilen unsere Leidenschaft für die Alten Meister und stehen durch die Ausstellungen im ständigen Dialog mit dem größeren Kontext der Kunstgeschichte.“

Abseits der Strömungen seiner Gegenwart

Vilhelm Hammershøi, dieser phänomenale Maler (1864 bis 1916), ist tatsächlich noch immer vielen unbekannt, obwohl er als berühmt gelten darf, zudem als ein „artist’s artist“. Das rührt von der nahezu völligen Überzeitlichkeit seines Schaffens her, das den Strömungen seiner unmittelbaren Gegenwart konsequent widersteht in ganz eigenen Bildfindungen, zumal in seiner reduzierten Farbigkeit. Auch ohne Kenntnis des Namens sind besonders seine fast leeren Innenräume mit ihrem kargen Mobiliar in der Wohnung an der Strandgade 30 in Kopenhagen ins allgemeine Bildgedächtnis eingegangen, aus dem der vollgestopfte Historismus verbannt ist.

Vilhelm Hammershøi bei Hauser & Wirth in Basel (2)

Immer wieder erscheint in Hammershøis Interieurs seine Ehefrau Ida, meist als Rückenfigur. In Basel sind einige solcher zauberhaften Bilder zu sehen. Hammershøis delikate Malweise, die virtuos mit dem Lichteinfall durch Fenster und mit geöffneten und geschlossenen Türen spielt, inszeniert eine geheimnisvolle Innenwelt. Vielleicht entspringt sie am ehesten dem Symbolismus der Epoche und weist nicht zufällig auf den Surrealismus voraus. Zum stillen Star in der Basler Schau könnte ein wohl öffentlich zuvor nicht gezeigtes, grade 39 mal 36,5 Zentimeter messendes frühes „Interieur mit weißer Tür und gelbem Kleiderschrank“ von 1886 werden, das auf erstaunliche Weise an einen um 90 Grad gedrehten Mark Rothko erinnert, Präludium kommender Farbfeldmalerei.

Weitreichender Einfluss auf die Moderne

Der Maler, durchaus weitgereist von London bis Paris, kehrte immer wieder in seine Heimat zurück und fand dort seine Motive. Es gibt Anklänge an Jan Vermeer oder auch an seine, gerade noch Zeitgenossen Puvis de Chavannes und James McNeill Whistler. Aufregender ist aber Hammershøis Wirkung in die Zukunft, auf die Moderne. Seine Spuren lassen sich nachzeichnen bis hin zu Giorgio Morandis Stillleben oder Edward Hoppers Schattenwürfen. Gehängt hat die intime Schau in zwei ganz weißen Räumen Felix Krämer, Direktor des Museums Kunstpalast in Düsseldorf, der 2003 Kurator der Hammershøi-Retrospektive in der Hamburger Kunsthalle war. Krämer und Florian Illies haben die erhellenden Katalogtexte verfasst.

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Der globale Kunstmarkt kennt pekuniäre Eckdaten: Der bisher höchste Preis für den Künstler war der Zuschlag von 7,65 Millionen Dollar für „Interieur. Musikzimmer. Strandgade 30“ von 1907 im Mai 2023 bei Sotheby’s in New York; die Schätzung hatte bei drei bis fünf Millionen gelegen. Erworben hat das Gemälde das Art Institute of Chicago, das mit dem Auktionsaufgeld gut neun Millionen Dollar dafür bezahlte. Schon 2017 erzielte ein weiteres Interieur mit Hammershøis Frau in Rückenansicht am Hammerklavier 5,3 Millionen Dollar. Aber auch eine „Sommerliche Landschaft“ kam zuletzt im März dieses Jahrs in London auf gut 2,4 Millionen Dollar. Sechs der bei Hauser & Wirth gezeigten Werke sind verkäuflich, die Preise liegen auf Nachfrage zwischen 500.000 und 5,75 Millionen Euro. Im Frühjahr 2026 wird das Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid Vilhelm Hammershøi zeigen, 2027 folgen das Art Institute of Chicago und die Frick Collection in New York.

„Vilhelm Hammershøi. Silence“, Hauser & Wirth, Basel, bis 13. Juli. Der Katalog kostet 28 Euro.

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