„Bad Boys 4“ mit Will Smith und Martin Lawrence: Buddy-Movie alter Schule (2024)

Hinternwitze, Peniswitze, Witze über Vegetarier, Witze über strenge Ehefrauen: Wenn man Will Smith und Martin Lawrence, den Helden von „Bad Boys 4“, so zuschaut, kann man sich fragen, ob die letzten fünfzig Jahre Feminismus überhaupt stattgefunden haben. Der von Jerry Bruckheimer produzierte Film zeigt uns noch einmal Männlichkeit in unzensierter Form, wenn man Sublimierung, Aufklärung und Liberalisierung als Zensur versteht.

Schlimm ist das nicht, es ist ja Kino oder, wie man früher gesagt hätte: Kintopp, ein populäres Medium. Zwei Männer, die das Ding geregelt kriegen, weitgehend ohne die Hilfe von Frauen, Experten oder sonstigen Bedenkenträgern: das ist die Grundkonstellation des sogenannten Buddy Movies, des Kumpelfilms. Und Bruckheimer/Smith/Lawrence spielen dessen Konventionen noch einmal genüsslich durch.

Buddy Movies sind ein sehr amerikanisches Format, sie stehen mit am Anfang der US-amerikanischen Filmgeschichte. Es begann in den Dreißigerjahren mit Komödien: Stan und Olli, Abbott und Costello, später dann Jerry Lewis und Dean Martin, Walter Matthau und Jack Lemmon. Zwei Typen, die sich im Kampf gegen die verwaltete Welt zusammenraufen, was grundsätzlich lustig ist, weil das Raufen immer auch ein Scheitern war.

Rache an der emanzipierten Frau

In den Sechziger- und Siebzigerjahren nahm die feministische Bewegung an Fahrt auf – der Buddyfilm lieferte eine Art Rückerstattung von Maskulinität. Die Filmwissenschaftlerin Philippa Gates schrieb, das Buddy Movie räche sich an den sich emanzipierenden Frauen, indem es sie „aus dem Zentrum der Erzählung an die Peripherie verbanne“. Das mag stimmen, aber ob die Frauen, festgezurrt im Zentrum der romantischen Paarbeziehung, unbedingt besser dran wären, lässt sich diskutieren. Und dann waren Filme wie „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ (Paul Newman und Robert Redford) und „All the President’s Men“ (Robert Redford, Dustin Hoffman) ja nicht nur Bonding-Aktionen erfolgreicher Cis-Männer. Sie brachten ein Unbehagen zum Ausdruck, an den Institutionen, am Zeitgeist, an der Politik.

Ganz so reaktionär war das Genre dann doch nicht. Den Anspruch, ein ethnisch pluralistisches Land zu sein, spielte das Buddy Movie ab den Achtzigerjahren vor allem mit seinen Cop-Komödien durch. Ein Weißer und ein Afroamerikaner traten an gegen die Mafia, russische Terroristen oder andere Schurken, das Publikum konnte Integration auf engstem Raum besichtigen. Im Rückblick sind das erzählerisch krachend naive, was die gesellschaftspolitischen Effekte angeht aber erstaunlich progressive Filme. Eddie Murphy und Nick Nolte in „48 hours“, Dany Glover und Mel Gibson in „Lethal Weapon“: Im maskulinen Schulterschluss lag mehr als ein Quäntchen utopischer Hoffnung, und wenn die Helden sich anrempelten, rempelten sie auch immer gegen die allgemeine Lage.

hom*oerotischer Unterton

Frauenkumpeleien bilden die Ausnahme, vielleicht, weil populäre Erzählkonventionen das Derbe, Raue und Hemdsärmelige für die Männer reserviert haben. Das ist natürlich eine sexistische Idee, aber es hat ja auch niemand behauptet, dass die Kulturindustrie an der Demontage etablierter Denkmuster interessiert wäre. Die Filmgeschichte führt für das female buddy movie eigentlich immer nur „Thelma & Louise“ ins Feld. Geena Davis und Susan Sarandon in der Rolle der Rebellinnen, die von blöden Männern und ihren blöden Auffassungen von Recht und Ordnung die Nase voll hatten.

Im Rachefilm, diesem zurzeit wieder massiv auftretenden Unteruntergenre (siehe „Furiosa“ von George Miller), ist Buddy-Kultur unter Frauen dann doch tendenziell möglich. Auch „Baise-moi“ von Virginie Despentes und „Monster“ von Patty Jenkins waren Rachefilme. Wer beim klassischen Buddy-Film einen hom*oerotischen Unterton heraushört, liegt richtig: Ein Filmbuddy ist dem andern oft die bessere Ehefrau. Freud hätte gesagt: typischer Fall von Kastrationsangst. Der Buddy fühlt sich mit dem Buddy einfach sicherer.

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In „Bad Boys 4“ lässt sich das sehr gut sehen: Hier übernimmt Martin Lawrence den Part der verständnisvollen Partnerin. Nach einem Herzinfarkt ist er reflektierter, empfindsamer, im allgemeinem Klischeeverständnis also weiblicher geworden und erklärt Will Smith: „Wir sind soul mates.“ Das ist eher eine Bestätigung des anderen im romantischen Paarsinn als eine Verbrüderungsgeste. „Und als Seelen haben wir keine Penisse.“ Will Smith: „Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass meine Seele einen Penis hat.“

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Ob Seelen primäre Geschlechtsorgane haben, ist ein Problem der Metaphysik. Moderne Genderauffassungen kennen den Penis jedenfalls nur noch als soziales Konstruktionsproblem, und an ihnen gemessen, ist dies ein Film, der die Bewusstseinsleistungen der feministischen Aufklärung zurückdrehen will. Aber Komödien erklären schon mittels ihrer Stil­lage, dass das Ganze nicht allzu ernst zu nehmen sei. Vielleicht geht männliche Ermächtigung alter Schule nur noch so: ironisch, augenzwinkernd, laut und überdreht.

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